Glücklichmacher

 

Was wissen Kinder schon von Grenze? Jetzt fährt meine fünfköpfige Familie mit unserem Skoda über die Grenze. Ziel ist Mölln. Vater Helmut hält das Begrüßungsgeld der Familie in Händen. Erste Einkehr ist der Aldi. Schokolade, ein paar Früchte sollen gekauft werden. Da sieht der zwölfjährige Sven einen Walkmann für 20 DM in einer Grabbelkiste. Er kann den Preis nicht begreifen. Wenn er in Schwerin sich die Nase beim Fernsehladen in der Wismarschen Straße platt drückte, las er immer wieder den Preis von 399,- Mark für den Walkmann LCS1010 hergestellt im VEB Elektronik Gera Betriebsteil Lobenstein. Er war 1989 gerade erst auf den Markt gekommen.

 

Und dieses Gerät mit seinen orangenen Kopfhörern wünschte sich Sven so sehr. Meine zwei Söhne dürfen sich etwas wünschen. „Hier gibt es einen Walkmann für 20 DM, ich möchte einen Walkmann“, trägt Sven uns bestimmend an. Nach anfänglichem Schwanken gebe ich nach. Sven strahlt, dass der Walkmann nicht des Korbes verwiesen wird.

 

Ein Herr, der hinter uns an der Kasse ansteht, bekam das Für und Wider von uns Eltern mit. Er reicht dem Jungen die 20 DM. So wird der sehnsüchtig gewünschte Walkman sogar zum Geschenk.

 

 

 

HSV spielt gegen FC Porto

 

Mittwoch, 22. November 1989 – Buß- und Bettag. Ein grausig kalter Tag. Das Thermometer zeigt um die 11 Grad an, die Luftfeuchtigkeit ist mit seinen 48 Prozent recht hoch. Für November nichts ungewöhnliches, aber Frauke möchte sich ein UEFA-Cup-Spiel ansehen. Die Ostdeutschen haben freien Eintritt. Das darf die Sportinteressierte sich keinesfalls entgehen lassen. Also mummelt sie sich warm an.

 

 

 

Der Hamburger Horst wählte am Wochenende zuvor eine Telefonnummer in der DDR. Es ist die seiner Schwägerin in Eldena.

 

Am Mittwoch spielt der HSV gegen FC Porto und DDR-Bürger haben freien Eintritt. Willst du mit?“

 

Frauke brüllte vor Freude los: „Na klar komme ich.“

 

Vergiss deinen Personalausweis nicht“, hörte die aufgeregte Frauke noch. Sie tanzte durch die Wohnung, konnte ihre Freude dieser Neuigkeit keinesfalls verbergen. Was war Frauke nur froh, dass sie inzwischen überhaupt über einen Telefonanschluss verfügte. Sie besaß ihn kaum zwei Monate.

 

 

 

Ehemann Jürgen zieht es nicht ins Stadion. Also macht sich Frauke an diesem Tag allein auf den Weg nach Hamburg. Mit ihrem neuen Wartburg 353 – das neueste Model, den ihr Mann 4 Wochen vor der Grenzöffnung nach der endloslangen Wartezeit für runde 35.000 Ostmark kaufte, fährt sie nach Hamburg. Ihr Gatte Jürgen hat derweil Angst um seinen bar bezahlten Wagen – seinem ganzen Stolz. Hoffentlich kommt sie heil damit zurück, denkt er unentwegt. Er kennt seine Ehefrau und ahnt, dass sie das Gefährt auf der Autobahn testen würde. Und so war es.

 

Frauke will wissen, wie viel in dem Wartburg steckt. 160 km/h schafft er – alles flimmert vor ihr. Sie bremst, der PKW bricht aus. Alles geht gut. Von nun an drosselt sie das Tempo. Aufs Spiel setzen will sie nichts, denn schließlich möchte sie sich ein Spiel ansehen.

 

Nicht nur die Hamburger Fußballer einmal live erleben zu können, noch dazu die Fußballmannschaft der portugiesischen Fußballliga. Das hätte sie vor vier Wochen nicht einmal zu träumen gewagt.

 

Frauke findet vor der Tür ihrer Schwester Anke glücklicherweise auch einen Parkplatz. Nach einem kurzen Plausch und einem Tässchen Kaffee fährt sie mit ihrem Schwager Horst per S-Bahn zum Volksparkstadion.

 

Für die Ossis gibt es sogar Sitzplätze. Die Kälte kriecht jedoch in alle Glieder, sodass auch Frauke die meiste Zeit im Stehen den kämpfenden Mannschaften zuschaut und Beifall zollt. Was für ein dramatisches, schönes Spiel.

 

Das Spielergebnis weiß Frauke nach fast 30 Jahren leider nicht mehr. Als Sportfanatikerin nahm sie seinerzeit mehrfach an Spielen teil, weshalb die Erinnerung an einzelnen Spielen inzwischen verblasste.

 

 

 

Noch am Abend tritt Frauke den Heimweg an. Sie weiß, dass Jürgen sonst überhaupt nicht zur Ruhe kommt. Außerdem wartet die Arbeit im Labor. Jürgen ist froh, dass Frauke den Wagen wieder unversehrt nach Hause bekam. Genauer besehen wird er sich ihn erst am nächsten Tag.

 

Anmerkung:

 

In der Bild am Sonntag, 12. November 1989 Seite 110 heißt es unter der Überschrift:

 

HSV-Naumann: Freier Eintritt für DDR-Bürger“ HSV-Präsident Ernst Naumann (68) will Gäste aus der DDR zum Fußball einladen. Sein Vorschlag: Freier Eintritt in die Stadien bei Spielen der 1. und 2. Bundesliga. Ich werde das meinen Kollegen aus anderen Vereinen vorschlagen….Beim UEFA-Cup-Spiel gegen Porto (22.11.) dürfen jetzt auch Besucher aus der DDR kostenlos ins Volksparkstadion. Als Ticket reichen DDR-Personalausweis oder Paß…Freunde aus der DDR, ihr seid hier willkommen. Guckt euch doch einfach mal unser Sportangebot an.“

 

 

 

Geschichte nicht nur erlebt, sondern selber mit geschrieben

 

Im Jubiläumsjahr – 30 Jahre Grenzöffnung – lebe ich schon wieder 20 Jahre in meinem Heimatdorf Güritz (nur 12 Kilometer von Ludwigslust entfernt). Wie die Zeit vergeht! Dieser Spruch wird zuhauf angewendet – und ist so wahr.

 

Inzwischen kenne ich auch in dieser Region eine Menge Bewohner. Und viele wissen um mein Geschichtsinteresse. Irgendwie lässt die Neugierde nicht nach. Das ist auch gut so. Muss es doch immer wieder Leute geben, die Geschichte in verschiedener Form bewahren. Sei es als Dokumentarfilm, als akribisch sauber fixierte Datensammlung oder als Kurzgeschichte. Alle Modelle tragen dazu bei, dass sie ein Ganzes bilden.

 

Während der friedlichen Revolution lebte ich im Schweriner Raum. Von Runden Tischen auf kommunaler Ebene kam mir seinerzeit wenig zu Ohren. Es etablierten sich viele Runde Tische bis zur kommunalen Ebene hinunter. Darum hieß der Bedeutendste von ihnen in Berlin der „Zentrale Runde Tisch“.

 

 

 

In der Bezirksstadt Schwerin etablierte sich einer, in dessen Andenken die Stadt einen Künstler beauftragte eine Erinnerung an die vielen politischen Debatten des „Runden Tisches“ zu kreieren. Diese etwas ausgefallene Skulptur „Runder Tisch“ des Lübecker Bildhauers Guillermo Steinbrüggen an der Kreuzung Puschkinstraße/ Großer Moor ist das Zeichen der Selbstbestimmung und Befreiung im Herbst 1989. In Güstrow gab es mehrere „Runde Tische“.

 

Persönlich lernte ich die Debatten eines „Runden Tisches“ nicht kennen.

 

Ich möchte mich der Kreisstadt Ludwigslust zuwenden. Denn in Ludwigslust gab es einen Runden Tisch auf Kreis- und Stadtebene. Eine ganz bedeutende Rolle nahm dabei Pastor i.R. Wilfried Romberg aus Ludwigslust ein. Er ist Mitglied des „Runden Tisches“ auf Kreisebene.

 

 

 

Herr Pastor i.R. Romberg schenkt mir ein paar Stunden Zeit, um den Herbst 1989 noch einmal Revue passieren zu lassen.

 

 

 

Das erste Rundtischgespräch findet am 13.12.1989 im Gemeinderaum der Ludwigsluster Stadtkirche in der Gartenstraße ohne feste Tagesordnung statt. In der Vorbereitungsrunde wird festgelegt, dass Pastor Romberg Gesprächsführer sein soll. Eine neutrale Person findet Vertrauen in der Bevölkerung. Sie würde ebenso von staatlicher Seite akzeptiert werden. Deshalb leiteten vielfach Pastoren die „Runden Tische“.

 

Laut Niederschrift sind beim ersten Rundtischgespräch 24 Personen zugegen. Der Ratsvorsitzende Kurt Draheim zählt dazu, ein Vertreter des Rates des Kreises in der Verantwortung für Handel und Versorgung ebenso.

 

Fragen der Betriebe, der Gebäudeverwertung stehen an. Wie könnten zukünftig Wahlen sein? Die Beziehung zur BRD, die Parteienfinanzierung – das zu bearbeitende Spektrum ist breit.

 

Major Wolfgang Zauritz –der Chef der Polizei ist zugegen. Die Polizei übernimmt wieder ihre eigentliche Aufgabe. Deren Bevormundung durch die Staatssicherheit ist nunmehr vorbei.

 

Vorbereitungsgespräche zum „Runden Tisch“ gibt es grundsätzlich. Gemeinsam wird das Thema besprochen, ein Programm für den Abend erarbeitet und festgelegt, wer was macht.

 

Am 21.12.1989 beschloss der Ministerrat der DDR Maßnahmen „zur Unterstützung der Arbeit des Runden Tisches. Der Beschluss verweist darauf, dass die Teilnehmer des Runden Tisches…von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt werden können. Freistellungsbescheinigungen sind für die Ausgleichszahlung nötig“.

 

Pastor i.R. Romberg erinnert sich, dass diese dienlich waren, denn die Sitzungen gingen stets über mehrere Stunden.

 

 

 

Doch die Grenzen sind offen und so bleiben die ersten Eingeladenen bald fort. Sie sind im Westen und organisieren schon den eigenen weiteren Werdegang. Auch das ist eine Erfahrung jener Zeit des Aufbruchs.

 

Am 29.12.1989 tagt der Runde Tisch in Ludwigslust, Karl-Marx-Platz 5/6, und beschäftigt sich mit dem Wahl- und Parteiengesetz. Neben den örtlichen Themen geht es um anstehende Wahl hinsichtlich einer Überprüfung der Kandidaten auf eine Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit. Die Auflösung von Gebäuden der Stasi spielt eine weitere Rolle. Auf Sachdiskussion und Konsensbildung wird viel Wert gelegt.

 

Diskutiert wird an diesem Tag wer an den Rundtischgesprächen teilnehmen darf. Überlegungen gehen dahin, Organisationen auszuschließen. Abstimmungen sind selbstverständlich. Demokratie wird gelebt. Untersuchungen von Amtsmissbrauch und Korruption stehen ebenso an.

 

Wirtschafts- und Sozialfragen diskutiert der „Runde Tisch“

 

am 4. Januar 1990.

 

Die vierte Gesprächsrunde findet am 25.01.1990 von 13.00 – 18.50 Uhr mit 26 Teilnehmern statt.

 

Fragen zu Handel und Versorgung, denn durch die Abwanderung fehlt es an Personal. Besonders betroffen sind Gaststätten. Seit dem IV. Quartal 89 gibt es starke Lieferrückstände auf dem Gebiet von Industriewaren.

 

Abwägungen zum freien Markt erfolgen – dürfen westdeutsche Händler ihre Produkte für DM anbieten?

 

Es gibt Anträge für Partnerschaftsbeziehungen mit der BRD.

 

Gorleben: Eigens dafür gründete sich eine Kommission.

 

 

 

In der fünften Runde am 08. Februar 1990 beraten 20 Teilnehmer zu Forderungen und Orientierungen bei der Entwicklung des Bauwesens im Kreis Ludwigslust. Eine möglichst schnelle Anstellung eines Stadtarchitekten wäre nützlich.

 

Die personelle, qualitative Stärkung kommunaler Bauämter und des Kreisbauamtes ebenso. Dazu die Unterstützung bei der Bildung kleiner Baubetriebe.

 

Am 16. Februar 1990 thematisieren die Teilnehmer schon Umschulungen. Wie bekommen wir Menschen wieder in Arbeit? Die anstehenden Maßnahmen/Vorhaben im Kreis brennen unter den Nägeln - wie könnte es in Zukunft funktionieren. Kennziffern, Bilanzen – all diese Festlegungen in DDR-Zeiten sind vorbei.

 

Bei jeder einzelnen Entscheidung sind Abstimmungen selbstverständlich.

 

Am 22. Februar erfahren die Mitglieder des Runden Tisches: „Das Amt für Arbeit wird in ein Arbeitsamt umfunktioniert und bis zum 1.3.1990 aus dem Rat des Kreises herausgelöst. Es entsteht eine öffentliche Anstalt.

 

Die Umfunktionierung erfolgt in drei Etappen und soll bis zu den Kommunalwahlen abgeschlossen sein. Im Arbeitsamt werden insgesamt 38 – 40 Mitglieder tätig. Die Absicherung wird aus dem vorhandenen Personal des Rates des Kreises erfolgen.“ Räumlich ist es bis zur Bereitstellung eines eigenen Gebäudes im Rat des Kreises untergebracht.

 

Es war richtig Arbeit! Wir haben nicht einfach nur zusammen gesessen. Der „Runde Tisch“ war wichtig, um den Übergang bis zu den Kommunalwahlen zu organisieren.

 

So kritisch wie es war, so gut war diese Form des „Runden Tisches“, um ein Chaos zu verhindern. Wenn es uns nicht gelungen wäre, friedlich zu gestalten, hätte es Tote gegeben. Das ist die eigentliche Leistung jener Zeit. Niemand wusste, wie der Amerikaner und Engländer reagieren würden, wäre hier ein Schuss gefallen“, ist die Quintessenz von Pastor i.R. Romberg.

 

Die letzte Sitzung des Runden Tisches findet am 19. April 1990 statt.

 

 

 

Der damalige Pastor der Stadtkirche kommt immer wieder auch auf die Demonstrationen und Fürbitt-Gebete zu sprechen. „Die Tage waren stramm gefüllt, denn meine eigentliche Aufgabe musste ebenso weiter gehen.“

 

Friedensgebete gab es seit Mitte Oktober 1989 in Ludwigslust.

 

Vom 19. bis 22. Oktober 1989 sind Niederländer in der Kirchgemeinde zu Besuch. Herr Pastor i.R. Romberg als einer der wichtigsten Zeitzeugen ist noch im Besitz sämtlicher Unterlagen von damals. In den umfangreichen Akten aus jener Zeit befindet sich auch ein Brief der Niederländer, die ihre Erinnerungen vom Besuch in Ludwigslust niederschreiben. „Bei der Hinfahrt haben wir 2 ½ Stunden an der Grenze in Zarrentin vertan. Koffer wurden gründlich durchsucht. Noch sahen wir das Bild von Honecker an der Wand. Bei der Rückfahrt war es verschwunden, die Tapete besaß einen weißen Fleck. Bei dem Friedensgebet, wo Herr Zimmermann vom Neuen Forum zu Worte kam, hatten wir das Gefühl, dass wir einen Wendepunkt in Deutschland - Europa gar in der Welt erlebten.“

 

 

 

Das Blättern in Akten und Erinnern läuft bei Wilfried Romberg gleichzeitig. Schmunzelnd erinnert er sich:

 

Am 10.12.1989 gab es einen Anruf aus Westberlin: „Ich habe im Fernsehen gesehen, was bei euch los ist. Ich bin erst einmal rüber geflogen, muss zunächst mit eigenen Augen sehen, was in der DDR los ist. Darf ich euch besuchen?“

 

Natürlich“, antwortet Pastor Romberg. Am anderen Ende legte Pastor Dr. Richard Trost den Hörer auf die Gabel.

 

Pastor Dr. Trost (2015 verstorben) lebt in Amerika, in Des Moines in Iowa.

 

Er studierte in Deutschland. Seine Vorfahren kamen aus Mecklenburg. Beide Pastoren kannten sich gut.

 

Dr. Richard Trost hält eine Predigt, die manch einer nicht versteht und begreift, denn es fallen Sätze wie: „Bildet euch nicht ein, dass ihr es einfach haben werdet, wenn ihr diesen Weg weiter geht. Ihr müsst euch nun selbst kümmern!“

 

Dr. Pastor Richard Trost erhielt im Jahr 2000 den Johannes-Gillhoff-Preis.

 

In bleibender Erinnerung setzte sich bei Pastor i.R. Romberg das Friedensgebet am 4. November 1989 um 16.00 Uhr in der Ludwigsluster Stadtkirche fest, welches er eröffnete. Nach dem Friedensgebet formierte sich ein Zug Tausender von Bürgern für eine Demonstration (Schätzung: 5.000 bis 7.000 Teilnehmer) auf dem Schlossplatz. Sie zogen durch Ludwigslust.

 

Die Gemeinschaft der vielen war es, denjenigen, die auf die Straße gingen, um Veränderungen zu bewirken. Die Straße ist die Tribüne des Volkes überall dort, wo es von anderen Tribünen ausgeschlossen wird. Die Demonstration ist ein legitimes Mittel, um die Mächtigen daran zu erinnern, wofür und für wen sie da sind. Viele Menschen fanden in diesen Tagen den Mut, sich für Veränderungen einzusetzen. Als mündige Bürger wollten wir eigenständig entscheiden können.“

 

Volker Jennerjahn war dabei, schoss ein paar Fotos und erlebte Anrührendes. Der Kniefall eines sowjetischen Offiziers vor aufgestellten brennenden Kerzen. „Am Abend der Proteste am

 

4. November 1989 in Ludwigslust beeindruckte mich unter anderem das Gebet des sowjetischen Offiziers, der dafür dankte, dass er nicht auf die Demonstranten in Ludwigslust schießen musste“, sagte der Fotograf Volker Jennerjahn, der diese Situation im Bild festhielt…..

 

 

 

 

 

Schlangen vor den Banken

 

Die Währungsunion sehnten die Ostdeutschen herbei. Am Montag strömten die Menschenmassen zu den Banken. Teilweise bildeten sich riesige Schlangen. Alle wollten sie endlich die Deutsche Mark in Händen halten.

 

Wenn auch manch einer sie im Portemonnaie „fest zu schweißen“ versuchte, war es bei den Lock-Angeboten schwierig, denn nicht jeder vermochte zu widerstehen. Aber der Besitz der harten Mark war letztendlich das größte Glück.

 

 

 

Der tägliche Einkauf nun wie im Intershop möglich.

 

Nur, wer überhaupt konnte in diesem besonderen Laden, der ausschließlich in den größeren Städten und an Grenzen vorhanden war, einkaufen? Die Wenigsten!

 

Ostprodukte verschwanden mit der Währungsunion über Nacht. DDR-Bürger wollten sie ohnehin nicht mehr. Sie hatten sich so sehr nach der offenen Grenze mit der D-Mark, den Westprodukten gesehnt – was sollten sie also mit den DDR- Produkten.

 

Der Gebrauchtwagenmarkt für PKW`s blühte. Niegelnagelneue Küchengeräte, Möbel, Blumen vom Fischmarkt schmückten umgehend zahlreiche Haushalte.

 

Ehemalige DDR-Bürger schlitterten leider auch ahnungslos und blauäugig durch Haustürgeschäfte in Abhängigkeiten. Wie die Heuschrecken zogen mobile Händler durchs Land. Der grenznahe Raum war besonders stark betroffen.

 

Die Rentnerin Hanna-Lisa wohnte am Ende der Straße. Vorgarten und Gemüsegarten grenzten das Wohnhaus auf zwei Seiten ein. Die Seniorin besaß einen Vorzeigegarten. Hanna-Lisa hackte ihre Gemüsebeete als zwei fremde Weiber an ihren Zaun traten.

 

Guten Tag werte Frau, wir verkaufen Unterwäsche – sehr schöne Schlüpfer – wollen Sie sich diese einmal anschauen.“

 

Hanna-Lisa ist zögerlich, möchte ihre Arbeit keineswegs unterbrechen, benötigt solche Ware eigentlich auch nicht. Sie macht keinerlei Anstalten bezüglich der Aufforderung dieser zwei Ankömmlinge.

 

Frauchen, schauen Sie!“

 

Ich habe keine Zeit! Des Weiteren brauch ich nichts!“

 

 

 

Dann zieht eine der Händlerinnen eine Tischdecke hervor, hält sie mit ausgebreiteten Armen hoch.

 

Sehen Sie, was wir weiterhin anbieten!“

 

Hanna-Lisa blickt auf die bunte Decke, geht näher zum grünen Staketenzaun. Sie fasst den Stoff, mustert das Designe. Innerlich bewundert sie das gute Stück, sagt aber kein Wort. Die Fremden sind in ihrem Vorgehen geübt, bemerken, dass diese Frau Gefallen an ihrer Präsentation hat.

 

Wir haben noch weitere Tischtücher in verschiedenen Größen. Aber hier draußen können wir Ihnen diese nicht alle ausbreiten.“

 

In Hanna-Lisa keimt tatsächlich ein Interesse…..